elches Testament bei Patchworkfamilien? Diese Frage stellen sich immer mehr Eltern und Kinder, denn es gibt sie inzwischen fast so oft in Deutschland wie das klassische Familienmodell. Die Scheidungszahlen sind ungebrochen hoch und nicht selten, findet das geschiedene Paar neue Partner – und dies mit Kind.
Vielleicht bringen sie auch selbst Kinder aus der ersten Ehe mit. Vielfach wird diskutiert, welchen Herausforderungen sich diese Familien stellen müssen. Ein Punkt wird allerdings oft nicht bedacht: Wie gestaltet sich das Erben bei Patchworkfamilien? Genau das ist das Thema dieses Artikels. Eines vorweg: Ein spezielles Erbrecht für Patchworkfamilien existiert nicht. Es gibt jedoch Regelungen, die Stiefkinder, adoptierte Kinder und die Ehepartner an sich betreffen.
So kompliziert kann das Erben für Patchworkfamilien werden: ein Fallbeispiel
In vielen Fällen raten Juristen dazu, ein Testament zu verfassen. Das vereinfacht das Erben und kann Erbstreitigkeiten vorbeugen. Zudem ist das Testament bei Patchwork wichtig. Ein Fallbeispiel verdeutlicht dies. Christian ist mit Susi verheiratet. Aus der Ehe geht ein Kind hervor, Lea. Das Paar lässt sich scheiden und Christian heiratet erneut. Seine neue Frau Ariane bringt einen Sohn aus ihrer ersten Ehe mit, Markus. Die Eheleute bekommen zusätzlich ein gemeinsames Kind: Ben. Bei dieser Konstellation treffen Stiefkinder auf gemeinsame Sprösslinge des Paares und einseitig leibliche Kinder der Eheleute. Beim Vererben kommt nun die Frage auf, welches Kind was erbt. Erben die eigenen Kinder mehr als die angeheirateten? Bekommt Ben womöglich alles, wenn die Eheleute tot sind? Bereits an diesem Beispiel ist zu sehen, wie wichtig ein Testament für Patchworkfamilien ist. Es schafft Ordnung in das Chaos. Gibt es kein Testament, greift die gesetzliche Erbfolge. Sie ist jedoch manchmal nicht im Sinne des Erblassers.
Nicht adoptierte Stiefkinder gehen leer aus
Das Stiefkind kann sich noch so gut mit dem Stiefvater verstehen, wenn es nicht von ihm adoptiert wird, steht ihm weder ein Pflichtteil noch ein Erbteil zu. Diese Regelung greift auch dann, wenn das Kind den Namen des Stiefelternteils angenommen hat. In unserem Beispielfall müsste also Christian Markus adoptieren. Ariane müsste wiederum Lea adoptieren, damit sie von ihrer Stiefmutter erbt.
Hat der Stiefelternteil dieses Kind nicht adoptiert und möchte dies auch aus irgendwelchen Gründen nicht tun, muss das Kind in seinem Testament auftauchen, um zu erben. Ist es im Testament nicht erhalten, geht es leer aus.
Erben bei Patchwork: Besonderheiten beachten
Mit einem Testament lässt sich in großen Teilen die gesetzliche Erbfolge umgehen. Eine besondere Sorgfalt ist gerade bei Patchworkfamilien geboten, denn die Familiensituation ist manchmal knifflig fürs Vererben. Vielen Erblassern fällt es schwer, die angeheirateten Kinder mit den eigenen Kindern gleichzustellen. Insbesondere wenn die angeheirateten Kinder bereits volljährig waren, als die neue Ehe geschlossen worden ist, möchte der Erblasser den Stiefkindern nicht vollumfänglich etwas vermachen. Auf der anderen Seite soll der Partner jedoch abgesichert sein, wenn der andere stirbt. Was ist nun zu tun? Das bekannte Berliner Testament ist jetzt nicht uneingeschränkt die beste Wahl. Eine Möglichkeit wäre, den Ehepartner als Vorerben einzusetzen. Die eigenen Kinder wären die Nacherben. Zu Lebzeiten profitiert der Ehepartner somit von dem Erbe seines Partners. Stirbt auch er, erhalten den Nachlass die vom ersten Erblasser bestimmten Nacherben. Die eigenen Erben würden leer ausgehen. Alternativ dazu ist es möglichst, dass die eigenen Kinder sofort das Vermögen erben. Für den Partner wird beispielsweise ein lebenslanges Wohnrecht für das Eigenheim und für die vermieteten Immobilien ein Nießbrauchrecht eingesetzt.
Pflichtteilrisiken bei Patchwork beachten
Die Regelungen rund um den Pflichtteil sorgen dafür, dass die nächsten Angehörigen nie komplett vom Erbe ausgeschlossen werden können. Ihnen steht ein Pflichtteil zu, obgleich sie im Testament nicht erwähnt wurden. Bei Patchworkfamilien ergeben sich sehr spezielle Pflichtteilregelungen, weswegen das Testament mit besonderer Sorgfalt ausgewählt werden sollte.
Gehen wir davon aus, dass alle Kinder der Patchworkfamilie am Vermögen teilhaben sollen. Dann kann ein Ehegattentestament die richtige Wahl sein, in dem die Stiefkinder, eigenen Kinder und gemeinsamen Kinder als Erben des Letztversterbenden eingetragen werden. Alle Kinder würden somit zu gleichen Teilen erben. Doch die Praxis zeigt, dass nach dem Tod des einen Partners sich die Familienverhältnisse samt ihrer Bindungen stark ändern können. Auf einmal möchte der hinterbliebene Partner die Gleichbehandlung zugunsten seiner eigenen Kinder aufgeben. Es ist daher wichtig, sich vorab Gedanken über die Bindungswirkung des gemeinsamen Testaments zu machen. Ansonsten könnte es sein, dass die Stiefkinder am Ende nichts erben. Dies wäre zwar nicht im Interesse des Ehepartners, der zuerst verstarb, aber ohne Bindungswirkung kann der überlebende Partner den letzten Willen ändern.
Würde der Erblasser seine Kinder sofort ins Testament einsetzen und den Ehepartner ausklammern, könnte dieser im Erbfall Pflichtteilansprüche stellen. Durch ein direktes und frühzeitiges Gespräch mit allen Betroffenen lässt sich vielleicht eine Regelung finden, mit der alle zurechtkommen.
Option: Pflichtteil-Verzichtverträge bei Patchwork
Ein guter Schutz gegen unliebsame Pflichtteilansprüche bieten die Pflichtteilverzichtsverträge. Sie bergen jedoch ein paar Hindernisse. So muss in der Regel an den Pflichtteilberechtigen eine Abfindung gezahlt werden. Sind die Kinder noch nicht volljährig, ist eine gerichtliche Genehmigung des Pflichtteilverzichts notwendig. Sie wird allerdings so gut wie nie gegeben.
Geschiedener Partner als Störfaktor beim Erben in Patchwork
Für Unruhe beim Erben in Patchworkfamilien können nicht nur die Kinder sorgen, sondern auch der frühere Ehepartner kann zum Störenfried werden. So existieren Ehegattentestamente, in denen der Ex auch noch nach der Scheidung ein Recht auf einen Erbteil hat. Theoretisch ist dies laut Erbrecht zwar nicht möglich, da die Auflösung der Ehe letztwillige Verfügungen unwirksam macht, aber es gibt Ausnahmen dazu. Dies wäre beispielsweise mit dem sogenannten „Fortgeltungswille bei Testamentserrichtung“ der Fall. Jetzt kann sogar der Ex-Partner erben. Sollte es eine Bindungswirkung geben, kann diese nur durch einen notariell beurkundeten Widerruf aufgehoben werden.
Vorsicht: Unterhaltsansprüche werden auch vererbt
Ein Testament, mit dem die neue Familie bedacht wird, ist wichtig. Doch dieses reicht nicht aus. Wer ans Erben denkt, der mag Bilder von wertvollem Schmuck, einem vollen Bankkonto und Immobilien in München im Kopf haben. Jedoch werden nicht nur Werte vererbt, es gibt da noch einiges mehr, wie z.B. Unterhaltsansprüche. So kann es sein, dass der vormalige Partner das Sorgerecht für die Stiefkinder des neuen Partners erhält. Immerhin sind es seine eigenen Kinder. Hiermit eng verknüpft ist das Vermögenssorgerecht sowie die Befugnis, diese Kinder zu vertreten. Sollte eines der Kinder minderjährig sein, würde somit der hinterbliebene Elternteil das Erbe verwalten. Genau hier liegt natürlich viel Zündstoff für Streit.
Besonders schwierig wird es, wenn es sich beim Erbe um Sachwerte wie Immobilien handelt. Doch was ist hier die Lösung? Es ist möglich, familienrechtliche Anordnungen zu treffen. So kann der Erblasser im Testament aufnehmen, wer die Vermögenssorge übernehmen darf. Seinen ehemaligen Partner kann er bewusst ausklammern.
Fazit: ohne Testament geht es bei Patchworkfamilien kaum
Was im Testament stehen soll, hängt von den Wünschen des Erblassers und den individuellen Gegebenheiten ab. Jedoch ist eines sicher: Es sollte ein Testament geben, um eine möglichst gerechte Regelung zu finden. Dabei ist es unerlässlich, sich von einem Rechtsanwalt für Erbrecht beraten zu lassen. Grundsätzlich sollte auch durchdacht werden, ob schwer teilbare Vermögenswerte wie Immobilien nicht vor dem Erbfall veräußert werden sollten. Mithilfe eines Immobilienmaklers gelingt dies schnell und zum bestmöglichen Preis. Der daraus erzielte Erlös lässt sich dann einfacher zwischen den Erben aufteilen, was das Streitpotenzial zusätzlich deutlich mindert.
Dieser Artikel enthält Links zu den folgenden Beiträgen:
- Erbrecht: Wie erben angeheiratete Kinder?
- Erbrecht: Was erben Stiefkinder?
- Erbrecht: Wann und wie lässt sich ein Testament anfechten?
- Erbrecht: Was erben nichteheliche Kinder?
- Wann erben welche Kinder und wie viel?
- Was ist das Berliner Testament?
- Nießbrauchrecht bei Immobilien: wichtige Fakten
- Welches Erbe steht mir zu? Antworten rund ums Thema Testament und Pflichtteil
- Muss ich bei der Scheidung mein Testament ändern?
- Vermögenssorge
- Warum Erben so viele Familien zerstört und wie sich Erbstreitigkeiten verringern lassen
- Kostenlose Immobilienbewertung
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