er letzte Wille kann dazu beitragen, dass Streitigkeiten zwischen den Erben gar nicht erst entstehen. Manchmal ist es jedoch gerade das Testament, welches für Ärger sorgt. Wer zu wenig oder gar nicht bedacht wurde, möchte den letzten Willen nach dem Tod des Erblassers vielleicht anfechten. Auf diese Weise kann dessen Unwirksamkeit erreicht werden.
Steht das Thema 'Demenz' im Raum, stellt sich häufig die Frage, ob der Erblasser bei der Testamenterstellung bereits seine Testierfähigkeit verloren hatte. Wer ein Testament anfechten will muss wissen, daß das allerdings nicht nur ein langwieriger, sondern auch ein aufwendiger Prozess ist. Kommt ein Kläger damit immer ans Ziel und ist es möglich, ein gültiges Testament trotz Demenz aufzusetzen? Lesen Sie hier weiter!
Was ist eigentlich Demenz genau?
Demenz ist nicht eine einzige Krankheit. Vielmehr ist ein Oberbegriff für unterschiedliche Erkrankungen. Diese Erkrankungen können mit einer Persönlichkeitsveränderung oder einem Wegfall der geistigen Kompetenzen einhergehen. Die bekannteste Demenzform ist Alzheimer.
Mit fortschreitendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, eine demenzielle Krankheit zu entwickeln. Der Prozess erfolgt schleichend. Zumeist fällt dem Betroffenen oder dem Umfeld auf, dass sich das Kurzzeitgedächtnis verschlechtert. Die Merkfähigkeit nimmt ab. Im weiteren Verlauf kommen Orientierungsschwierigkeiten und oft auch Sprachstörungen hinzu. Parallel hierzu verringert sich die Gedächtnisleistung zunehmend. In schweren Fällen erkennen die Betroffenen ihre eigenen Kinder und Lebensgefährten nicht mehr. Experten gehen davon aus, dass in Deutschland circa eine Million Menschen demenzkrank sind.
Wichtig: Es existiert kein einzelner Test, mit dem ein Arzt eine Demenz sicher diagnostizieren kann. Daher führt er – oft in Zusammenarbeit mit Neurologen – zahlreiche Untersuchungen durch. Neben der Erhebung der Krankheitsgeschichte erfolgt eine detaillierte Befragung des Betroffenen inklusive Tests, die Aufschluss über sein Denkvermögen, sein Verständnis von Sachverhalten und die Orientierung geben sollen.
Testament trotz Demenz: Was gibt es zu beachten?
Den Geisteszustand einer Person abzuschätzen, ist schwierig. Doch gerade dieser ist entscheidend, wenn ein Testament aufgesetzt wird. In Deutschland dürfen nur Personen ein Testament allein oder mit Notar erstellen, sofern sie testierfähig sind. Eine kurze Definition zur Testierfähigkeit besagt, dass der Betroffene mithilfe seiner geistigen Fähigkeiten ein klares Urteil fällen kann. Dafür muss er Informationen aufnehmen und Situationen bewerten können. Er begreift, warum er sich für welche Formulierungen im letzten Willen entschieden hat und steht zu ihnen. Diese Testierfähigkeit kann bei einem Demenzkranken vorliegen oder eben auch nicht.
Achtung: Demenzkranke haben oft gute und schlechte Tage. An guten Tagen haben sie „lichte Momente“ und begreifen vollumfassend, was passiert. Wird das Testament bei Demenz in solch einem Moment erstellt, ist es gültig.
Ist ein notarielles Testament bei Demenz überhaupt möglich?
Ein Testament kann mit oder ohne Notar aufgesetzt werden. Erfolgt der Gang zum Notar, überprüft dieser die Testierfähigkeit der betreffenden Person. Selbstverständlich ist der Jurist kein Arzt, aber er ist nach § 28 BeurkG (Beurkundungsgesetz) dazu angehalten, seinen Eindruck über die notwendige Testierfähigkeit des Testators festzuhalten. Ist der Testator beispielsweise schwer krank, schreibt der Notar dies auf. Im Zuge dessen hält er ferner fest, wie er die Testierfähigkeit bewertet. Das ist ein § 11 Abs. 2 BeurkG vermerkt.
Wenn der Notar Zweifel an der Testierfähigkeit hat, kann er mit Einwilligung des Testators einen Facharzt konsultieren. Dieser könnte dann die Testierfähigkeit bewerten. Das Heranziehen von Kranken- oder Vormundschaftsakten ist ebenfalls möglich. Auch ohne diese Maßnahmen kann bei Zweifeln der Notar das Testament beurkunden. Sollte es zu einem Rechtsstreit kommen, wird der Notar in der Regel als Zeuge zur Testierfähigkeit des Testators befragt.
Anders sieht es allerdings aus, wenn der Notar von der Testierunfähigkeit überzeugt ist. Dann lehnt er die Beurkundung nach § 11 Abs. 1 BeurkG ab.
Testament bei Demenz: Anfechtung wegen vermuteter Testierunfähigkeit
Die Rechtslage in Deutschland ist einfach: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Wird das Testament einer dementen Person nicht angefochten, hat es Gültigkeit. Erst wenn Erben rechtliche Schritte einleiten, wird es überprüft. Dies liegt daran, dass das Gesetz als erstes davon ausgeht, dass jede Person testierfähig ist. Der Kläger muss daher beweisen, warum der Erblasser es zum Zeitpunkt der Testamentsverfassung nicht war. Schafft er dies, müsste nun der Gegner beweisen, dass der Erblasser bei Verfassung des Testaments einen lichten Moment hatte.
Es ist schwer zu entscheiden und zu beweisen, wie stark die Geistesfähigkeit einer Person aufgrund von Demenz gestört ist. Das Gericht dann zumeist wie folgt vor:
- Einladung von Zeugen
- Einladung von Sachverständigen
- Einladung des Arztes (befreit von der gesetzlichen Schweigepflicht gegenüber des Erblassers)
Testament trotz Demenz: zwei Beispiele aus dem echten Leben
Testierunfähig ist die Person, deren freier Wille beeinträchtigt ist. Doch gerade bei Demenz ist die bestehende Testierfähigkeit schwierig zu beurteilen. Die Grenzen zwischen gültigem und ungültigem Testament aufgrund von Demenz sind fließend. Das veranschaulichen diese beiden authentischen Praxisfälle:
1. Fall: Eine betagte Mutter gerät mit ihrer erwachsenen Tochter in einen großen Streit. Sie bezichtigt ihr Kind, sich in ihr Leben und das Leben ihres pflegebedürftigen Mannes einzumischen. Im hohen Alter von 95 Jahren verfasst die Mutter ein Testament. Als Erben sind nur ihre zwei weiteren Kinder vorgesehen. Ihre Tochter würde also laut Erbrecht nur einen Pflichtteil erhalten. Daraufhin klagt die Tochter und bestreitet, dass die Mutter bei Testamentsaufsetzung testierfähig war. Das Gericht muss nun entscheiden und zieht einen Sachverständigen heran. Tatsächlich beweisen Krankenakten eine Hirnverkleinerung zum Zeitpunkt der Testamentsverfassung. Die Erblasserin verlor viel an Gewicht und erhielt Medikamente zur Behandlung geistiger Leistungseinbußen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah eine beginnende Demenz (leichten Grades) vorliegen. Deswegen sei die Mutter noch testierfähig gewesen. (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. I-3 Wx 40/14, 3 Wx 40/14).
2. Fall: Eine Frau setzt ein Testament auf, in dem eine einzige Person alles erben soll. Ein Verwandter findet keine Berücksichtigung und greift nach dem Erbfall den letzten Willen an. Das Gericht lädt einen Sachverständigen ein. Alte Arztunterlagen bezeugen, dass die Frau einen Test zur Demenz gemacht hat. Das Ergebnis war: eine eingeschränkte Merkfähigkeit. Es bestand der Verdacht auf eine mittelschwere Demenz vom Typ Alzheimer. Sie zeigte Gedankensprünge bei Gesprächen und konnte selbst einfache Rechenaufgaben nicht mehr lösen. Darüber hinaus wusste sie beim Arzt nicht mehr, warum sie überhaupt bei ihm war. Manchmal war sie aggressiv und litt unter Wahnvorstellungen. Das Oberlandesgericht München sah damit eine Testierunfähigkeit bestätigt. (Oberlandesgericht München, Az. 31 Wx 239/13).
Testament bei Demenz: Was ist zu tun?
Ganz gleich, ob es um wertvolle Immobilien in München oder nur ein kleineres Barvermögen geht: Bei Erbschaften entstehen oft Streitigkeiten. Manchmal richten sich diese gegen den letzten Willen des Erblassers. Um sicherzustellen, dass ein Testament bei Demenz Gültigkeit hat, sollte es frühzeitig geschrieben werden. In einem frühen Stadium der Demenz kann der Testator noch immer testierfähig sein. Es ist dann wichtig, unmittelbar vor Verfassung des Testaments ein Attest des behandelnden Arztes einzuholen. Bestätigt der Arzt die Testierfähigkeit, ist es sehr unwahrscheinlich, dass bei einem Rechtsstreit der Kläger Recht bekäme.
Übrigens: Ähnliches zählt für Geschäfte wie einem Immobilienverkauf. Hier muss der Verkäufer zwar nicht testierfähig, aber dafür geschäftsfähig sein. Auch die Geschäftsfähigkeit kann bei Demenzkranken eingeschränkt oder gar nicht gegeben sein.
Dieser Artikel enthält Links zu den folgenden Beiträgen:
- Warum Erben so viele Familien zerstört und wie sich Erbstreitigkeiten verringern lassen
- Erbrecht: Wer darf das Testament einsehen?
- Erbrecht: Wann und wie lässt sich ein Testament anfechten?
- Erbrecht: Welche Testamentsformen gibt es?
- Den letzten Willen richtig schreiben
- Hausverkauf bei Demenz: Wichtige Informationen für Betroffene und Angehörige
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