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ach langer Krankheit verstarb Michaels Mutter im hohen Alter. Obgleich es für sie eine Erlösung war, schmerzte ihr Tod den Sohn doch sehr. Seine Mutter war trotz der Krebserkrankung noch fit im Geist gewesen und konnte ihre finanziellen Verpflichtungen selbst regeln. Jetzt war sie nicht mehr da und auf Michael prasselten neben der Trauer diverse Pflichten ein.

​Die Beerdigung galt es zu organisieren und eine Todesanzeige musste geschaltet werden. Verträge mit Telekommunikationsunternehmen, Zeitschriftenverlagen und vielem mehr mussten gekündigt werden. Michael fühlte sich überfordert. Er war der einzige Erbe und niemand außer dem Bestatter unterstützte ihn bei seinen Aufgaben. Schließlich riss er sich zusammen und begann eine organisatorische Aufgabe nach der anderen abzuarbeiten. Doch schnell stieß er an Grenzen: Er konnte das Bankkonto seiner Mutter nicht schließen und auch ihr Haus in München konnte er nicht auf seinen Namen im Grundbuch eintragen. Was war passiert? Er hatte das Erbe nicht beantragt. Da seine Mutter kein notarielles Testament, keine Vorsorgevollmacht und keinen Erbvertrag gemacht hatte, benötigte er einen Erbschein – selbst als direkter Sohn und Alleinerbe.

Was ist ein Erbschein und muss ich ein Erbe beantragen?

Ein Erbschein ist ein Nachweis über das Erbrecht. Er offenbart, ob es sich um eine Erbengemeinschaft oder einen Alleinerben handelt. Angaben über die Erbschaftssteuer sind darin nicht vermerkt. Darum kümmert sich in einem späteren Schritt das Finanzamt.

Der Erbschein wird den Erbberechtigten nicht automatisch zugestellt, sondern er muss beim Nachlassgericht bestellt werden. Zu beachten ist: Auch ohne Erbschein kann ein Erbberechtigter erben. In Deutschland gilt der Vonselbsterwerb, nach dem ein Erbberechtigter automatisch das Erbe antritt. Wenn er dies nicht möchte, muss er es explizit ablehnen. Im Klartext bedeutet dies, dass es nicht erforderlich ist, ein Erbe zu beantragen. Es kann aber notwendig sein, einen Erbschein zu beantragen, wie das Beispiel mit Michael zeigt.

Wichtiger Hinweis: Das Gericht bewertet die Beantragung des Erbscheins als Annahme des Erbes. Wer mit dem Gedanken spielt, den Nachlass auszuschlagen, sollte daher keinen Erbschein beantragen.

Wann muss ich einen Erbschein beantragen?

Ein Erbschein kann für Erben empfehlenswert oder sogar unerlässlich sein. In folgenden Fällen ist dieser Nachweis zumeist erforderlich:

  • Erbe umschließt Immobilien
  • zur Auflösung von Bankkonten
  • für Überweisungen vom Bankkonto des Toten
  • Gesellschafterwechsel in einer oHG oder KG
  • Verwaltung des Nachlasses gegenüber Dritten wie Vermieter/Mieter

Existiert allerdings ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag, ist der Erbschein selbst für die oben genannten Fälle oft nicht erforderlich. Jedoch steht und fällt diese Regelung mit der korrespondierenden Behörde. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte daher einen Erbschein beantragen.

Reicht kein privates Testament aus? Was ist mit einer Vorsorgevollmacht?

Ein privates Testament ist rechtsgültig. Auch einige Banken akzeptieren es für eine Umschreibung der Bankkonten (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2016, Az.: XI ZR 440/15). Ein Urteil des Oberlandesgerichts in Hamm verfügte allerdings, dass ein privates Testament für eine Grundbuchänderung einer Immobilie nicht reicht.

Eine andere Sachlage stellt sich dar, wenn der Erbberechtigte im Besitz einer Vollmacht ist, die über den Tod hinaus ihre Gültigkeit bewahrt. Mit dieser Vorsorgevollmacht ist es möglich, zahlreiche organisatorische Angelegenheiten zu erledigen.

Weshalb bei geerbten Immobilien ein Erbschein oft sinnvoll ist

Das in Deutschland vererbte Vermögen stammt knapp zur Hälfte aus Immobilien. Für die einen mag dies ungerecht erscheinen, aber für die anderen ist es ein Segen. Die Erbberechtigten sind dazu angehalten, einen Erbschein zu beantragen. Zwar sieht die Grundbuchordnung nicht die Vorlage dieses Nachweises zwingend vor, aber sie kann den Prozess erleichtern und sogar preiswerter gestalten. So verlangen einige Grundbuchämter trotz notariell beglaubigtem Testament oder Erbvertrag einen Erbschein. Dies ist vor allem der Fall, wenn Formulierungen in dem Testament oder Erbvertrag nicht eindeutig sind. Außerdem sollten Erben beachten, dass eine Grundbuchänderung auf Basis einer Vollmacht keine Befreiung von der Gebühr gemäß Nr. 14110 KV des Kostenverzeichnisses zum Gerichts- und Notarkostengesetz mit sich bringt. Für Michael aus dem anfänglichen Beispiel ist der Erbschein für die Grundbuchumschreibung für das Haus in München grundsätzlich unerlässlich. Ihm liegen weder ein Testament oder Erbvertrag noch eine Vollmacht vor.

Darf jeder Erbberechtigte einen Erbschein beantragen?

Jeder Erbberechtigte darf einen Erbschein beantragen. Auf diese Weise hält er einen Nachweis über sein Erbrecht in den Händen. Es ist unerheblich, ob sich der Anspruch darauf in der gesetzlichen Erbrangfolge, einem Erbvertrag oder einem Testament begründet. Sollte es mehr als einen Erben geben, kann für jeden ein Teilerbschein beantragt werden. Alternativ dazu gibt es den gemeinschaftlichen Erbschein, in dem alle Erben mit ihren Anteilen am Erbe aufgeführt sind. Gibt es minderjährige Erben, beantragen deren Eltern oder andere sorgeberechtigte Personen den Erbschein.

Ich möchte einen Erbschein beantragen. Wo erhalte ich den Erbnachweis?

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, den Erbschein zu beantragen: zum einen das Nachlassgericht und zum anderen der Notar. Bei dem Nachlassgericht handelt es sich stets um das Amt, wo der Erblasser seinen letzten Wohnort hatte. Nicht jeder Erbberechtigte mag oder kann das Nachlassgericht aufsuchen. In diesem Fall ist es möglich, mithilfe eines Notars den Erbschein zu beantragen. Dieser nimmt die Beurkundung des Antrags vor und übernimmt die eidesstattliche Versicherung, mit der der Erbberechtigte die Richtigkeit seiner Angaben garantiert.

Welche Dokumente sind für die Beantragung des Erbscheins erforderlich?

Um einen Erbschein zu beantragen, muss der Antragssteller dem Amtsgericht bzw. Nachlassgericht diverse Unterlagen vorlegen. Dabei handelt es sich für gewöhnlich um Originaldokumente, die der Antragssteller nach Abschluss des Verfahrens zurückerhält. Sollten die Dokumente zeitgleich für andere Behördengänge erforderlich sein, sollten notariell beglaubigte Kopien gemacht werden.

Grundsätzlich sind für den Antrag folgende Dokumente notwendig:

  • Personalausweis oder Reisepass des Antragstellers
  • Sterbeurkunde des Erblassers
  • Anschrift aller Erben
  • eidesstattliche Erklärung über die Richtigkeit der eigenen Angaben

Sollte ein Testament oder ein Erbvertrag vorhanden sein, fügt der Antragssteller den oben genannten Dokumenten noch folgende Unterlagen hinzu:

  • Testament bzw. Erbvertrag
  • Auskunft über Vorhandensein eines Rechtsstreits über den Nachlass
  • Auskunft hinsichtlich jeglicher Verfügungen von Todes wegen

Gibt es kein Testament und keinen Erbvertrag, sondern tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft, sind folgende Unterlagen beizufügen:

  • Heiratsurkunde, Familienstammbuch, Geburtsurkunde
  • eidesstattliche Erklärung über das Fehlen eines Erbvertrags oder eines Testaments
  • sofern vorhanden: eidesstattliche Versicherung über den Güterstand, in welchem der Verstorbene verheiratet gewesen ist
  • unter Umständen: Sterbeurkunden oder Erbverzichtsverträge von Erbberechtigten

Wie lange dauert es, bis der Erbschein ausgestellt ist?

Hierauf gibt es keine pauschale Antwort. In der Regel dauert es zwei oder drei Wochen, bis der Erbschein in der Post liegt. Die Bearbeitungszeit hängt von vielen Faktoren ab. Behörden mit geringer Arbeitsauslastung sind in der Regel schneller. Doch auch bei ihnen kann es in der Ferienzeit zu Verzögerungen kommen. Ratsam ist es, bei Antragsstellung alle notwendigen Unterlagen vorliegen zu haben. Außerdem empfiehlt es sich, zeitnah nach dem Tod das zuständige Amtsgericht oder einen Notar zu kontaktieren. Auf den ersten Blick mag dies pietätlos sein, aber je eher die organisatorischen Angelegenheiten beendet sind, desto früher kann die eigentliche Trauerarbeit starten.

Ist der Erbschein kostenfrei?

Nein, der Erbschein ist nicht kostenfrei. Es fallen stets Gebühren an, die der Antragssteller tragen muss. Wie hoch die Kosten für den Erbschein sind, ist im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) verankert. Dabei wird sich an dem Nachlasswert orientiert. Werden beispielsweise nur 500 Euro vererbt, beträgt die Gebühr geringe 15 Euro. Bei 50.000 Euro sind es 165 Euro. Den genauen Betrag teilt das Amtsgericht mit. Wer für den Erbschein einen Notar beauftragt, muss selbstverständlich diesen ebenfalls bezahlen.

Muss ich beim Erbschein irgendwelche Fristen einhalten? Kann der Erbschein ungültig werden?

Eine fixe Frist für den Antrag auf einen Erbschein gibt es nicht. Der Erbberechtigte kann ihn stets beantragen. Beachtenswert ist jedoch, dass ein Vermächtnis und ein Pflichtteilsanspruch nach drei Jahren verjähren.

Ist der Erbschein ausgestellt, gilt er als rechtsgültiges Dokument. Doch er ist nicht unumstößlich. Sollten sich die Erbverhältnisse im Nachhinein ändern, verliert der Erbschein an Gültigkeit. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn später ein Testament bei den Unterlagen des Toten gefunden wird. Der Finder ist dazu verpflichtet, dieses Dokument beim Nachlassgericht einzureichen und dieses muss die bereits ausgestellten Erbscheine wieder einziehen. In der Praxis passiert dies gar nicht so selten. Gelegentlich unterschlagen Erben auch ein Testament oder Verneinen die Existenz einer Halbschwester. Ist dies der Fall, kann eine Anzeige wegen falscher Versicherung an Eides statt oder wegen Betrugsversuches erfolgen. Dabei handelt es sich nicht um Kavaliersdelikte, sondern um Straftatbestände, die mit hohen Geldstrafen und sogar Gefängnisstrafen einhergehen können.

Publiziert am 
May 14, 2018
 in Kategorie:
Erben

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